Es ist wieder Montag für mich, also Dienstag für den Rest der Menschen, und gleich geht es wieder in den Löwen. Gerade fange ich an mich an den Arbeitsrhythmus zu gewönnen, bricht schon meine letzte ganze Woche an. In der nächsten Woche bin ich nur noch bis Donnerstag, den 30. September in Hamburg und im Löwen. Danach ist dieses Kapitel zu Ende – leider. Wer also nochmal von mir die Tür geöffnet haben möchte, muss sich schon fast beeilen. Ich freu mich immer wieder, wenn ich erkannt werde. Sie sind doch der Commis oder Ich habe schon von Ihnen gelesen. Oder in der letzten Woche: Ich kannte das Le Lion nicht, aber habe Deinen Blog bei Mixology gefunden und musste es mir mal anschauen – Cool, mehr solche Gäste!
Mehr solche Gäste, das denke ich mir immer mal wieder. Neulich saßen zwei englisch sprechende Herren auf der Couch und wollten einen Drink. Nach ausführlicher Beratung brachte ich Ihnen einen Gin Basil Smash (der sich übrigens wunderbar verkaufen lässt) und einen Ranglum. Die nächste Runde sagten sie nur noch, dass sie gern mit Gin bzw. in Richtung Rum, aber weniger Zitrus weitermachen wollen würden. Den Rest sollte ich einfach machen – sie kennen sich eh nicht so aus. Mehr solche Gäste! An einem anderen Tag war eine Gruppe Damen da, von denen eine gerne etwas mit Kokos (*ouch*) haben wollte. Leider haben wir gerade keine Kokos da. Ob sie dann etwas mit Ananas (*ups*) haben könne, überlegend, ob wir vielleicht Ananas irgendwo hätten, fragt ich sie, ob sie schon mal einen Drink mit Basilikum getrunken hätte. Wir hätten da einen ganz tollen mit Gin. Sie war sofort sehr angetan und später total begeistert von der Empfehlung. Gin Basil Smash verkauft sich echt wunderbar. Mehr solche Gäste!
Damit möchte ich nicht sagen, dass die anderen Gäste, die schon genau wissen, was sie trinken möchten, weniger geschätzt werden würden. Ich finde es nur besonders schön, beratend den Gästen zur Seite zu stehen und vielleicht den einen oder anderen Drink zu empfehlen, den sie noch nicht kannten oder ganz neue Geschmacksrichtungen zu erkunden. Das ist für mich der Grund in den Löwen (und in viele andere Bars) zu gehen und relativ unspezifisch zu bestellen, meist verbunden mit der Bitte um einen besonderen Twist. Man lernt oftmals spannende neue Drinks kennen. Und sei es nur mal einen Gin & Tonic mit einem besonderen Gin. Mich bei diesem Drink mit neuen Gineindrücken zu versorgen hat *Ding* sich zu Aufgabe gemacht. Recht erfolgreich, wie man an meinem Einkauf bei Weinquelle in der letzten Woche merkt.
Langsam lerne ich im Le Lion auch die Stammgäste kennen. Andere Leute, die in der Gastro arbeiten und nach der Schicht noch auf einen Drink vorbei kommen. Mitarbeiter großer Spirituosenfirmen oder der eine oder andere Markenbotschafter kommt mal eben auf einen kleinen Plausch und Drink vorbei. Als – im Verhältnis zu den Kollegen – kompletter Laie in dem Gebiet kann ich dort immer wieder was Neues lernen. Natürlich kennt man nach der Zeit auch die normalen Stammgäste, keine Bartender oder sonst wie mit der Industrie verbunden, sondern einfach Menschen, die Freude an guten Drinks haben und es genießen bei einer angenehmen Unterhaltung einen Cocktail zum Feierabend zu haben. Ich habe gerüchteweise gehört, dass einer der Stammgäste sich überlegt, für einige Zeit als Commis anzuheuern. Ich kann nur sagen: Dahinter ist es anders.
Bestellt man im Le Lion einen Old Fashioned oder Sazerac erhält man ein Glas in dem ein großer Eiswürfel schwimmt. Diese herzustellen ist auch eine der Aufgaben des Commis. Auf zwei großen Tabletts werden 20 Formen für große Eiswürfel verteilt, mit Wasser gefüllt und in die riesige Eistruhe im Obergeschoss gelegt, in der man notfalls auch mal einen Mitarbeiter ein ganzes Schwein einfrieren kann. Seit kurzer Zeit habe ich zu Hause auch eine dieser großen Formen und war von dem Vorrat im Le Lion sehr beeindruckt. Dann hat Herr Kappes einen Schrank geöffnet und dahinter befanden sich noch ca. 80 weitere Eisformen für Rieseneiswürfel. DAS ist ein Vorrat.
Wer sich mit dem Gedanken trägt in der nächsten Zeit vielleicht als Commis in den Löwen kommen zu wollen, sollte seine guten Manieren nochmals besonders auf Hochglanz polieren. Herr Kappes macht seit einigen Wochen Kampfsport und wie ich langsam herfinde, wurde der Commis auch als persönliche Belustigung des Herrn eingestellt. So passiert es, dass man plötzlich mit einem Baguette bewaffnet zum Stocktanz herausgefordert wird oder kurzfristig den bösen Angreifer spielen muss. *zack* *zack* fliegt man durch die Küche, um dann schnell das Blut abwischend wieder zu Tür zu gehen, um freundlich die nächsten Gäste zu begrüßen. Naja, ein bisschen übertrieben habe ich hier, aber Stocktanz wird tatsächlich im Löwen trainiert und wer jetzt nochmal blöd an der Tür ist… Herr Kappes würden sie bitte.
Während der körperliche Schlagabtausch auf Drohungen beschränkt bleibt, führen Herr Kappes und ich den Kampf mit Wörtern mit großen Vergnügen durch. Es ist hier nicht so, dass ich mich ihm als mein Chef immer geschlagen geben muss oder dauernd einzustecken habe. Nein, ein fairer und extrem lustiger Kampf. Nur nicht übertreiben, sonst muss man schnell in den Keller, Eis holen. Herr Giesbert, im Le Lion gibt es zwei Sorten Eis: Doppelt gefrostetes und dünnes!
Musik zur Untermalung: Evanescence – Fallen
Ich hoffe Du wirst irgendwie weiter bloggen, auch wenn deine commie Zeit vorbei ist. Es ist sehr schön geschrieben und interessant zu lesen. Vielen Dank von Leserseite nochmal für die interessanten Einblicke in die Barkeeperwelt.
Solltest Du nicht so viel über Cocktail bloggen wollen, wie wäre es mit einem eigenen Blog? Gibt bestimmt noch paar freie Domains ;-)
Erstmal: Ein super Blog, Daumen hoch!
Könntest du noch eine genauere Auskunft zu den Eiswürfelformen geben?
Welche sind das, wie groß sind die Würfel und wo bekomm man sie?